Ein Gästehaus mit Geschichte
Gastfreundschaft gehört von Anfang zur Lebensweise der Benediktiner. Wer als Fremder an die Tür eines Klosters klopfte, durfte damit rechnen, zumindest für eine Nacht sicher aufgenommen zu werden.
Als die Lippoldsberger Nonnen im 14. Jahrhundert eine Wallfahrt ins nahegelegene Gottsbüren ins Leben riefen, nahm durch die Pilger die Zahl der Übernachtungen zu. Die Priorin ließ darum vor dem Westwerk der Klosterkirche ein eigenes Gebäude für die Bedürfnisse der Gäste errichten.
Die Reste dieses Vorgängerbaus sind etwa einen Meter unter dem Fußboden der heutigen Herberge noch zu finden.
Im 16. Jahrhundert wurde das Kloster im Zuge der Reformation aufgelöst und damit endete vorerst auch der Herbergsbetrieb. Die freiwerdenden Gebäude und Ländereien fielen dem hessischen Landgrafen zu, der sie in eine Domäne umwandeln ließ.
Der Gutsverwalter residierte in einem Teil des alten Klostertrakts, während man um 1700 für den Verwalter der Ländereien jenseits der Weser ein neues Haus errichtete: das bis heute erhaltene Sandstein-Fachwerk-Haus Klosterhof 3.
In den 1920er Jahren wurde die Staatsdomäne auf dem Klosterhof aufgelöst; die Gebäude und die Ländereien wurden zum Verkauf angeboten. Es ging darum, den Privatbesitz und damit die Eigeninitiative der Bevölkerung zu stärken.
Das ehemalige kleine Verwalterhaus wurde 1929 von Professor Herman Nohl aus Göttingen erworben. Professor Nohl lehrte seit 1920 an der Göttinger Universität "Praktische Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Pädagogik".
Mit dem Kauf des Hauses verfolgte er kein privates Interesse; vielmehr sollte das das Landheim dem Göttinger Pädagogischen Seminar zur Verfügung stehen. Zu diesem Zweck wurde noch im selben Jahr 1929 der Verein "Die Freunde des Göttinger Pädagogischen Seminars, e.V." gegründet, der fortan als Träger fungierte.
Zunächst war das baulich desolate Haus grundlegend zu renovieren. Viele freiwillige Helfer, Studierende aus Göttingen und Handwerker aus dem Dorf, waren dabei aktiv, sodass das Landheim am 23.6. 1930 eingeweiht werden konnte.
Seither diente das Nohl-Haus zahllosen akademischen Gruppen als Ort für Leben und Lehre, wie es dem reformpädagogischen Ansatz Nohls entsprach. Seminare und Diskussionen fanden hier statt, aber es wurde auch gekocht und gefeiert. Man nutzte die Landschaft des Wesertals für Spaziergänge und Wanderungen, Ausflüge mit dem Rad und Paddeltouren.
Bisweilen stand das Haus auch Einzelnen für längere Zeit zur Verfügung. So verbrachte der Brücke-Maler Otto Herbig 1933 den Sommer in Lippoldsberg und malte zahlreiche Bilder der unmittelbaren Umgebung des Hauses.
Als Herman Nohl zwischen 1937 und 1945 nicht an der Göttinger Universität lehren durfte, wurde das Landhaus zeitweilig zu seiner "zweiten Heimat".
Ab 1940 wurden immer wieder Flüchtlingsfamilien und Mütter mit Kindern aus bombenbedrohten Städten in das Haus einquartiert. Zeitweilig wohnen hier vier Familien mit 14 Personen.
Von 1943 bis 1956 bewohnte die Bildhauerin Hella v. Boetzelaer mit ihren beiden Söhnen das Haus.
Nach der Wiedereröffnung der Göttinger Universität im September 1945 war Professor Nohl intensiv an deren Wiederaufbau beteiligt, und auch das Landheim nahm seinen studentischen Betrieb wieder auf. Zu seinem 70. Geburtstag am 7.10.1949 wurde Nohl von der Pädagogischen Arbeitsgruppe die kleine Festschrift "Das Haus der Freunde" gewidmet.
Nach dem Tode Herman Nohls am 27.9.1960 wurde das Haus als "Nohl-Haus" benannt und von dem Trägerverein noch über 50 Jahre im Sinne seines Stifters weitergeführt.
Aber das studentische Leben wandelte sich und das Haus wurde zunehmend sanierungsbedürftig. Darum entschloss sich der damalige Trägerverein der Freunde 2012, das Haus an die Gemeinde Wahlsburg zu übergeben.
Es soll stärker in das Lebensgefüge des Dorfes und des Kirchenumfelds eingebunden werden, aber dennoch bleiben, was es seit über 80 Jahren war: eine Bildungsherberge.
Um diesem Auftrag gerecht zu werden, hat die Kommune den "Förderverein Klosterkirche Lippoldsberg e.V." als Betreiber des Hauses eingesetzt. Dieser Verein engagiert sich seit Jahren dafür, das Umfeld der Kirche als "öffentlichen Raum" zugänglich zu machen und durch ein breites Kulturangebot inhaltlich mit Leben zu füllen.
Neben dem Besucherzentrums Klosterpforte, das auf touristische Besucher der Klosterkirche ausgerichtet ist, soll die Herberge allen zur Verfügung stehen, die sich mit Kultur auseinandersetzen und eine schöne Umgebung genießen wollen, die sich und andere intensiv erleben und verstehen möchten und in der Ruhe des ehemaligen Klosterbezirks neue Kraft suchen.